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Wenn es zwischenmenschlich hakt: wie Vorgesetzte und Mitarbeiter besser klar kommen

Das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und ihren Vorgesetzten ist oft der zentrale Pfeiler des beruflichen Alltags. Doch was passiert, wenn diese Beziehung gestört ist? Wenn die Zusammenarbeit nicht an fachlichen Differenzen, sondern an zwischenmenschlichen Problemen scheitert? Spannungen zwischen Chef und Mitarbeitern sind kein neues Phänomen, doch in Zeiten von New Work, flachen Hierarchien und wachsendem Druck wird deutlich: Gestörte Beziehungen am Arbeitsplatz wirken sich nicht nur auf die Zufriedenheit der Angestellten aus, sondern kosten Unternehmen bares Geld.

Viele Arbeitnehmer berichten von einem Vorgesetzten, der sich emotional distanziert oder schlichtweg unnahbar gibt. Dabei erwarten die wenigsten Mitarbeitenden, dass ihr Chef ihr bester Freund wird. Doch wenn das Gefühl überhandnimmt, der Chef nehme ihre Sorgen und Nöte nicht ernst, kann das schnell zu Frustration führen. Laut einer Studie des „Journal of Applied Psychology“ hat die emotionale Unterstützung durch Vorgesetzte einen messbaren Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Fehlt diese Unterstützung, steigt der Stresspegel, die Produktivität sinkt.

Eine Ursache für zwischenmenschliche Konflikte am Arbeitsplatz ist häufig die Art und Weise, wie kommuniziert wird. In vielen Fällen sind es nicht die großen Konflikte, sondern die unterschwelligen Spannungen, die sich über die Zeit aufstauen. Chefs, die sich ausschließlich auf Hierarchien stützen und autoritär agieren, erzeugen häufig eine Atmosphäre des Unbehagens. Mitarbeiter wollen sich einbringen und Gehör finden. Wird dieses Bedürfnis ignoriert, fühlen sie sich entmachtet und demotiviert. Adam Grant, renommierter US-amerikanischer Organisationspsychologe, plädiert daher für einen Führungsstil, der Mitarbeitende unterstützt, statt sie zu kontrollieren. In seiner Forschung zur „servant leadership“ zeigt er auf, dass Chefs, die ihre Rolle als Unterstützer der Belegschaft verstehen, langfristig nicht nur für ein besseres Arbeitsklima sorgen, sondern auch die Produktivität ihres Teams erheblich steigern.

Ein weiteres Problem ist das mangelnde Vertrauen, das sich zwischen Führungskräften und Mitarbeitern entwickeln kann. Nicht selten haben Angestellte das Gefühl, sie könnten ihre Meinung nicht offen äußern, ohne dafür Konsequenzen befürchten zu müssen. Dieses Phänomen der „psychologischen Unsicherheit“ am Arbeitsplatz wird durch eine 2020 veröffentlichte Studie der Harvard Business School untermauert. Sie zeigt, dass Arbeitnehmer, die das Gefühl haben, ihre Meinung offen äußern zu können, innovativer arbeiten und loyaler gegenüber ihrem Unternehmen sind. Der oft zitierte Spruch „Das kann man dem Chef nicht sagen“ wird in Unternehmen, die auf eine offene Fehlerkultur setzen, seltener gehört. Hier liegt eine zentrale Aufgabe für Vorgesetzte: Sie müssen Räume schaffen, in denen Kritik und Feedback nicht als Bedrohung, sondern als Chance zur Verbesserung wahrgenommen werden.

Ein weiteres, oft unterschätztes Problemfeld ist die Unklarheit in Bezug auf Erwartungen und Rollen. Wenn Mitarbeitende nicht genau wissen, was von ihnen erwartet wird, oder das Gefühl haben, dass ihre Aufgabenbereiche willkürlich verändert werden, kann dies zu einer chronischen Überforderung führen. Die Stanford-Universität fand in einer Studie heraus, dass klare Anweisungen und regelmäßiges Feedback durch Vorgesetzte entscheidend dazu beitragen, Stress zu reduzieren und die Zufriedenheit der Mitarbeiter zu steigern. In zu vielen Unternehmen bleibt dies jedoch Theorie. Unklare Ziele, schwammige Vorgaben und mangelnde Rückmeldungen führen zu Missverständnissen und einer Zunahme der Spannungen im Team.

Doch was können Mitarbeiter tun, wenn sie sich in einer solchen Situation befinden? Zunächst einmal müssen sie den Mut aufbringen, das Gespräch mit ihrem Vorgesetzten zu suchen. Studien zeigen, dass viele Arbeitnehmer Angst davor haben, Kritik an ihren Chefs zu üben. Die Sorge, durch negative Rückmeldungen ihre Position zu gefährden oder gar entlassen zu werden, sitzt tief. In einer von „Psychology Today“ veröffentlichten Umfrage gaben mehr als 50 Prozent der Befragten an, dass sie ihren Vorgesetzten zwar kritisieren würden, sich jedoch nicht trauten, dies offen auszusprechen. Experten raten hier zu einem taktischen Vorgehen: Kritik sollte nie als persönlicher Angriff, sondern immer als konstruktiver Vorschlag formuliert werden. Zudem kann es helfen, konkrete Lösungsvorschläge zu unterbreiten, statt lediglich Probleme zu benennen.

Doch auch Vorgesetzte stehen in der Verantwortung. Sie müssen nicht nur die fachliche Leitung übernehmen, sondern auch auf die zwischenmenschlichen Aspekte achten. Führungskräfte, die emotional intelligent agieren, sind besser in der Lage, Spannungen frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern. Ein Aspekt, der hierbei oft übersehen wird, ist die Selbstreflexion. Viele Führungskräfte gehen davon aus, dass das Problem bei den Mitarbeitern liegt, nicht bei ihrer eigenen Führung. Doch Studien belegen, dass gerade jene Chefs, die sich regelmäßig selbst hinterfragen und bereit sind, ihr eigenes Verhalten zu ändern, die besten Ergebnisse erzielen.

Peter Drucker, einer der einflussreichsten Managementtheoretiker des 20. Jahrhunderts, prägte den Satz: „The most important thing in communication is hearing what isn’t said.“ Eine Führungskraft, die nicht nur auf die Worte, sondern auch auf die Zwischentöne ihrer Mitarbeiter achtet, kann Spannungen oft schon erkennen, bevor sie eskalieren. Doch dies setzt voraus, dass Führungskräfte nicht nur als Chefs, sondern auch als Menschen wahrgenommen werden. Transparenz und Authentizität spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Mitarbeiter merken sehr schnell, ob ihre Vorgesetzten ehrlich sind oder nicht – und ob sie wirklich an der Meinung ihres Teams interessiert sind.

Regelmäßige Feedbackgespräche sind ein wichtiges Instrument, um solche Missverständnisse zu klären. Dabei geht es nicht nur um die Kontrolle der Arbeitsleistung, sondern auch darum, die Zusammenarbeit zu reflektieren und mögliche Spannungen anzusprechen. Amy Edmondson, Professorin an der Harvard Business School, hat in ihrer Forschung zur „psychologischen Sicherheit“ aufgezeigt, dass Teams, in denen eine offene Kommunikation gefördert wird, deutlich erfolgreicher arbeiten. Offenheit und Ehrlichkeit tragen maßgeblich dazu bei, dass Mitarbeiter sich einbringen und kreative Lösungen entwickeln.

Für Arbeitnehmer, die in einem angespannten Verhältnis zu ihrem Chef arbeiten, ist es jedoch nicht immer leicht, eine Lösung zu finden. Ein häufiger Ausweg besteht darin, das Unternehmen zu wechseln. Doch dies ist oft nicht die nachhaltigste Lösung. Stattdessen kann es ratsam sein, an den eigenen Kommunikationsfähigkeiten zu arbeiten und sich in Empathie zu üben. Wer versucht, die Perspektive des Vorgesetzten zu verstehen, kann möglicherweise die Ursachen für dessen Verhalten besser nachvollziehen. Vielleicht steht der Chef unter erheblichem Druck oder kämpft selbst mit Unsicherheiten, die nach außen nicht sichtbar sind.

Die Beziehung zwischen Arbeitnehmern und Vorgesetzten ist komplex und sensibel. Zwischenmenschliche Spannungen sind unvermeidlich, doch sie müssen nicht zwangsläufig das Arbeitsklima vergiften. Sowohl Chefs als auch Mitarbeiter haben die Möglichkeit, durch bewusste Kommunikation und gegenseitiges Verständnis eine bessere Zusammenarbeit zu schaffen. Letztlich entscheidet nicht nur die fachliche Kompetenz über den Erfolg im Job, sondern auch die Fähigkeit, mit den Menschen umzugehen, die uns im Arbeitsalltag umgeben.

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