Die wachsende Verbreitung von Künstlicher Intelligenz (KI) in allen Lebensbereichen hat unweigerlich auch den Bewerbungsprozess erreicht. AI-Tools, die Bewerbungsschreiben automatisch generieren, sind nur ein Beispiel dafür, wie Technologie dazu verwendet wird, den Arbeitsmarkt zu verändern. Was auf den ersten Blick wie ein vielversprechendes Hilfsmittel erscheint, birgt jedoch erhebliche Herausforderungen und Risiken – sowohl für Bewerber als auch für Personalabteilungen.
Automatisierte Bewerbungsschreiben: Eine verlockende Lösung mit Tücken
AI-Tools für Bewerbungsschreiben versprechen, Zeit zu sparen, den Schreibprozess zu vereinfachen und ein professionell klingendes Anschreiben zu erstellen. Sie analysieren Stellenanzeigen und passen den Text auf die spezifischen Anforderungen des Jobs an, ohne dass der Bewerber selbst viel Input geben muss. Für Personen, die sich unsicher beim Verfassen eines Anschreibens fühlen oder Schwierigkeiten haben, ihre Gedanken präzise in Worte zu fassen, erscheint dies als verlockende Lösung.
Doch diese Tools haben auch deutliche Nachteile. Viele von ihnen produzieren Texte, die sich zu glatt und generisch lesen. Sie wirken oft austauschbar und standardisiert – genau das Gegenteil dessen, was sich Personalverantwortliche wünschen. Das Anschreiben ist schließlich eine Gelegenheit für den Bewerber, seine Individualität und Motivation hervorzuheben, etwas, das durch vorgefertigte Textbausteine kaum authentisch vermittelt werden kann.
Personalabteilungen erkennen den Einsatz von AI-Tools
Eine weit verbreitete Annahme unter Nutzern solcher Tools ist, dass Personalabteilungen die KI-generierten Texte nicht als solche erkennen können. Dies ist jedoch eine Fehleinschätzung. Personalverantwortliche, die tagtäglich Dutzende oder gar Hunderte von Bewerbungsschreiben lesen, entwickeln ein geschultes Auge für Nuancen in der Sprache, im Stil und in der Struktur von Anschreiben. Texte, die durch AI-Tools erstellt wurden, weisen häufig Merkmale auf, die erfahrenen Lesern ins Auge springen.
AI-generierte Anschreiben sind oft zu perfekt. Sie enthalten keine kleinen Ungenauigkeiten oder persönliche Sprachgewohnheiten, die für einen Menschen typisch sind. Der Satzbau ist meist übermäßig glatt und weist eine starre, oft formelhafte Struktur auf. Dies kann auf den ersten Blick beeindrucken, führt jedoch schnell dazu, dass das Schreiben als unpersönlich oder unaufrichtig wahrgenommen wird. Auch spezifische Redewendungen oder Floskeln, die in den vorgefertigten Texten häufig vorkommen, können Personalverantwortlichen signalisieren, dass hier kein echter, persönlicher Schreibprozess stattgefunden hat.
Mögliche Rückschlüsse und Konsequenzen
Wenn Personalabteilungen den Einsatz eines AI-Tools bei der Erstellung eines Bewerbungsschreibens vermuten oder eindeutig identifizieren, kann dies unterschiedliche Rückschlüsse hervorrufen. In einem positiven Szenario könnten sie anerkennen, dass der Bewerber moderne Technologien effizient nutzt und ein Interesse an Innovation zeigt. Doch dieser potenzielle Vorteil wird oft von den negativen Assoziationen überlagert.
Ein zentraler Aspekt bei der Bewerbung ist die Authentizität. Der Bewerber soll zeigen, warum er genau für diese Position geeignet ist und welche persönlichen Qualitäten ihn auszeichnen. Ein KI-generierter Text vermittelt jedoch oft das Gefühl, dass es dem Bewerber an Engagement, Sorgfalt oder sogar Interesse fehlt. Der Einsatz solcher Tools kann den Eindruck erwecken, dass die Bewerbung eher eine lästige Pflicht ist, die möglichst schnell und mit minimalem Aufwand erledigt werden soll.
Zudem könnten Zweifel an den tatsächlichen Fähigkeiten des Bewerbers aufkommen. Wenn jemand bereits beim Verfassen eines Anschreibens auf KI zurückgreift, stellt sich die Frage, ob er auch in anderen Bereichen Abkürzungen sucht. In Berufen, bei denen kommunikative Fähigkeiten eine zentrale Rolle spielen, kann dies einen erheblichen Nachteil darstellen. Auch könnte die Frage entstehen, ob der Bewerber wirklich in der Lage ist, auf individuelle Anforderungen einzugehen und flexible Lösungen zu finden – Fähigkeiten, die in vielen Jobs von hoher Bedeutung sind.
Die Rolle der Selbstpräsentation im Bewerbungsprozess
Das Bewerbungsverfahren ist mehr als nur ein formaler Akt. Es ist eine Möglichkeit für Bewerber, sich zu präsentieren und ihre Qualifikationen und ihre Persönlichkeit darzustellen. Das Bewerbungsschreiben ist oft das erste, was ein potenzieller Arbeitgeber von einem Kandidaten sieht. Hier geht es nicht nur darum, Fakten aufzuzählen oder standardisierte Phrasen aneinanderzureihen, sondern eine authentische und individuelle Botschaft zu vermitteln.
Durch den Einsatz von AI-Tools geht diese Möglichkeit der persönlichen Selbstpräsentation weitgehend verloren. Es ist schwer, eine emotionale oder kreative Verbindung zu einem Text aufzubauen, der von einem Algorithmus erstellt wurde. Das, was ein Bewerber über sich selbst sagen möchte, kann nicht immer durch KI richtig eingefangen werden. Dies betrifft besonders weiche Faktoren wie Motivation, kulturelle Passung oder persönliche Werte, die in einem Bewerbungsschreiben subtil vermittelt werden können.
Wenn man sich dennoch für AI-Tools entscheidet: Worauf sollte man achten?
Trotz der genannten Herausforderungen kann der Einsatz von AI-Tools für Bewerbungsschreiben in bestimmten Situationen sinnvoll sein, insbesondere für Bewerber, die sich in ihrer schriftlichen Ausdrucksfähigkeit unsicher fühlen oder unter großem Zeitdruck stehen. In solchen Fällen ist es jedoch ratsam, die generierten Texte nicht unkritisch zu übernehmen.
Stattdessen sollten AI-Tools als Ausgangspunkt oder Inspiration genutzt werden. Bewerber sollten die generierten Texte stets anpassen, um eine persönliche Note hinzuzufügen. Es kann hilfreich sein, eigene Formulierungen einzubringen, persönliche Beispiele zu nennen und den Text so zu gestalten, dass er die individuelle Motivation und Persönlichkeit widerspiegelt. Der Einsatz von AI sollte immer ein unterstützender Schritt sein und nicht die gesamte kreative Arbeit ersetzen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die sprachliche Feinabstimmung. Während AI-Tools oft eine standardisierte Hochsprache verwenden, ist es wichtig, den Text an die jeweilige Branche und die angestrebte Position anzupassen. In kreativen Berufen etwa wird mehr Wert auf Originalität und sprachlichen Ausdruck gelegt, während in technischen Berufen oft eine klare und sachliche Sprache erwartet wird.
Ein bewusster Umgang mit AI im Bewerbungsprozess ist der Schlüssel
Der Einsatz von AI-Tools bei Bewerbungsschreiben ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits können sie Bewerbern helfen, Struktur in ihren Text zu bringen und professionelle Formulierungen zu finden, andererseits bergen sie das Risiko, unpersönlich zu wirken und wichtige Chancen zur Selbstpräsentation zu verpassen.
Es ist entscheidend, AI-Tools mit Bedacht zu nutzen und ihre Schwächen zu kennen. Letztlich bleibt der Bewerbungsprozess eine menschliche Interaktion, bei der Persönlichkeit, Authentizität und Kommunikation eine zentrale Rolle spielen. Ein gutes Bewerbungsschreiben sollte nicht nur die Qualifikationen des Bewerbers abbilden, sondern auch zeigen, wer er ist und warum er für die angestrebte Position besonders geeignet ist – etwas, das kein Algorithmus vollständig erfassen kann.