In den Büros der westlichen Welt ist es längst kein Geheimnis mehr: Die Produktivität und Kreativität leiden, wenn die Energie zur Neige geht. Was aber ist die beste Methode, um inmitten eines langen Arbeitstags die Kraftreserven wieder aufzufüllen? Während manche auf einen kurzen „Powernap“ schwören, empfehlen andere den Spaziergang an der frischen Luft. Beide Ansätze haben ihre Vorzüge und wissenschaftlich belegte Vorteile – doch was wirkt langfristig besser? Studien, Expertenmeinungen und Praxiserfahrungen geben unterschiedliche Antworten auf diese Frage.
Ein Powernap, also ein kurzes Nickerchen von etwa 10 bis 20 Minuten, gilt schon lange als eine effektive Methode, um Energiereserven schnell aufzuladen. Laut dem Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig kann ein kurzer Schlaf zwischendurch die geistige Leistungsfähigkeit um bis zu 30 % steigern. „Ein Powernap bietet dem Gehirn die Möglichkeit, sich von einem langen Morgen zu erholen und ist besonders effektiv, wenn die Zeit für einen echten Schlaf von sieben bis acht Stunden nachts nicht gegeben ist“, erklärt Professor Jan Born, Schlaf- und Gedächtnisforscher der Universität Tübingen. Tatsächlich zeigen Untersuchungen, dass das Gehirn während eines Nickerchens in einen leichten Schlafzustand gleitet, was die Aufnahmefähigkeit und Gedächtnisleistung verbessern kann.
Zudem gilt ein Powernap als Möglichkeit, Stress abzubauen. Eine Studie der NASA fand heraus, dass ein 26-minütiges Nickerchen die Aufmerksamkeit von Piloten um 54 % und ihre Leistung um 34 % erhöhen kann. Die positiven Effekte sind auch in Büroumgebungen spürbar, in denen ein schneller Wechsel zwischen Aufgaben und ständige Aufmerksamkeit gefordert werden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass große Unternehmen wie Google und Facebook bereits „Nap Pods“ in ihren Büros etabliert haben, um den Angestellten eine Erholungspause zu bieten. Doch der Powernap ist nicht jedermanns Sache – manche Menschen haben nach einem Nickerchen Schwierigkeiten, wieder in den Arbeitsmodus zu finden. Ein weiterer Nachteil: Ein Powernap im Büro ist oft nicht leicht umzusetzen, insbesondere in offenen oder traditionellen Bürostrukturen, die solche Pausen nicht vorsehen.
Der Spaziergang an der frischen Luft ist für viele die zugänglichere und flexiblere Alternative. Die Bewegung an der frischen Luft kurbelt den Kreislauf an und sorgt für eine verbesserte Sauerstoffversorgung des Gehirns. Studien des University College London zeigen, dass ein 20-minütiger Spaziergang im Freien die Stimmung und das Wohlbefinden signifikant verbessert, während gleichzeitig das Energieniveau gesteigert wird. „Ein Spaziergang draußen reduziert das Stresslevel und kann dabei helfen, neue Perspektiven auf Probleme zu gewinnen, an denen man im Büro festhängt“, erklärt Dr. Tom Clemens, Psychologe und Arbeitsforscher. Die Kombination aus frischer Luft, körperlicher Bewegung und einem Moment des Abstandnehmens von der Arbeit hilft dem Gehirn, auf andere Gedanken zu kommen und die Kreativität zu fördern.
Zudem zeigt eine Untersuchung der American Psychological Association, dass Menschen, die während des Arbeitstages regelmäßig kurze Spaziergänge machen, produktiver und konzentrierter sind. In einem Experiment mit mehr als 300 Teilnehmern konnte nachgewiesen werden, dass regelmäßige Pausen an der frischen Luft zu einem höheren Zufriedenheitsgefühl bei den Mitarbeitern führten. Interessant ist dabei, dass der positive Effekt durch die Bewegung im Freien nicht nur direkt nach der Pause spürbar ist, sondern sich auch langfristig positiv auf das Arbeitsklima und die mentale Gesundheit auswirkt. Wer sich bewegt, baut Stresshormone wie Cortisol ab und reduziert gleichzeitig das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Doch was ist nun die effektivere Methode, um die Energie zurückzubekommen? Wissenschaftler betonen, dass die Wahl zwischen Powernap und Spaziergang stark vom individuellen Typ und der jeweiligen Situation abhängt. „Für jemanden, der wenig schläft und ständig unter hoher Anspannung steht, kann ein kurzer Powernap Wunder wirken“, erläutert Dr. Martin Schmid, Schlafmediziner der Charité Berlin. Der Körper bekommt die nötige Ruhe, und das Nervensystem kann sich in kürzester Zeit entspannen.
Für Menschen jedoch, die nicht die Möglichkeit haben, sich tagsüber hinzulegen, oder die Schwierigkeiten haben, sich nach einem Nickerchen wieder zu konzentrieren, ist der Spaziergang oft die bessere Wahl. Auch die langfristigen Effekte sprechen für die Bewegung: Eine aktuelle Studie der Harvard Medical School legt nahe, dass regelmäßige körperliche Aktivität im Freien die kognitiven Fähigkeiten im Alter erhält und depressive Symptome reduziert. Insofern ist der Spaziergang nicht nur eine „schnelle Lösung“, sondern trägt auch nachhaltig zur Gesundheit bei.
Es spricht also viel dafür, dass beide Methoden ihre Berechtigung haben und je nach individueller Situation kombiniert werden können. Der kurze Powernap ist besonders dann nützlich, wenn man akuten Schlafmangel ausgleichen muss, während der Spaziergang an der frischen Luft mehr Langzeiteffekte auf die Gesundheit und das Wohlbefinden hat. Letztlich könnte die ideale Lösung also ein hybrides Modell sein: Ein Powernap, wenn der Schlaf in der Nacht nicht ausgereicht hat, und ein Spaziergang, um den Kreislauf anzukurbeln und die Stimmung zu heben.
Angesichts der wachsenden Bedeutung von Mitarbeitergesundheit und Wohlbefinden in modernen Unternehmen wird es spannend sein, wie sich diese Strategien weiterentwickeln. Mit zunehmender Flexibilität und Offenheit für Pausen und Erholungszeiten, könnte eine Kombination beider Ansätze der Schlüssel zu einer nachhaltigeren und produktiveren Arbeitsweise sein.